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Auszüge aus Eröffnungsreden

 

Rede von Kristina Henze anlässlich der Ausstellung „running water and fresh air“  von Ulli Kowalke im Kunstverein Burgwedel-Isernhagen (2015)

Der erste Blick hier in diesen Räumen lässt uns staunen: Eine farbenprächtige Welt tut sich auf, leuchtende Farbklänge, Hell und Dunkel, sanfte, duftige Übergänge, ein üppiges Grün. Eine Anmutung von Romantik? Eine Idylle?
Wir entdecken überall Bezüge zum Wasser: Wasserfälle, Bachläufe, Quellen. Südliche Landschaften, wir glauben, manches schon einmal gesehen zu haben. Mit diesen abstrahiert gehaltenen Landschaften gibt der Künstler uns Betrachtern den Raum, individuelle Vorstellungen zu entwickeln.
Auf den zweiten Blick allerdings entstehen Irritationen, die sich auch aus den zusätzlichen Bildebenen ergeben, und vielleicht spüren wir ein Unbehagen. Die Farbenglut, die auf uns eindringt, die merkwürdige Stille, kann in ihrer Intensität auch als beunruhigend empfunden werden.

Ich glaube, U.K. will uns nicht nur zeigen, wie schön die Welt ist, in der wir leben; er will uns auch auf ihre und unsere Gefährdung hinweisen. „running water and fresh air“ hat er diese Ausstellung benannt – fließendes Wasser und saubere, frische Luft – also das, was wir als so selbstverständlich hinnehmen, gedankenlos verbrauchen oder missbrauchen. Das Thema deutet auf sein Anliegen hin: Er fordert uns Betrachter auf, uns mit den aktuellen gesellschaftlichen Fragen und Problemen auseinanderzusetzen, die durch soziale Verflechtungen und Abhängigkeiten verknüpft und bestimmt werden. Nie zuvor hat der Mensch die Natur so instrumentalisiert und funktionalisiert wie heute.

U.K. arbeitet ehrenamtlich im Vorstand des Verbandes für Entwicklungspolitik Niedersachsen; dieser Verband ist die Dachorganisation für viele Nichtregierungsorganisationen. Ihr Anliegen ist es, einen Wandel im Denken, im Umgang und im Handeln für den Schutz und die Erhaltung der Natur anzustreben, für eine Welt sich einzusetzen, in der die Menschen überall Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Den Reichtum dieses Gemeinschaftsgutes WASSER ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, ist für U.K. ein wichtiges Anliegen, welches er auch in seiner Malerei auszudrückt.
Gesellschaftskritische Aspekte zeigen sich auch im Motiv der dschungelartigen Vegetation, die er auf den Bildern noch reich- und vielfältig wuchern lässt, über die sich aber Störzeichen legen: Versteckte Hinweise, dass die Zerstörung der Wälder, des Regenwaldes, den Klimawandel mit den entsprechenden Folgen fördert. Auf dem Bild „Nicht weiter“ ist ein Mensch fast nur zufällig zu entdecken. Winzig klein, sucht er zwischen den Urwaldriesen seinen Weg. Er geht auf schwankendem Pfad über eine Hängebrücke, unter sich den Abgrund, vor sich undurchdringliches Gestrüpp und Gewirr.
U.K. hat mehrere Studienmalreisen nach Gambia unternommen. Sie schärften seinen Blick für diese Problematik. Die findet nicht nur Ausdruck in seiner Malerei, sondern auch in Grafik, Zeichnung und Collage. Er benutzt als Quelle gerne Fotografien, auf die er seine Erinnerung und Imagination stützt.

U.K. studierte u.a. an der Europäischen Kunstakademie in Trier freie Malerei. Für ihn hat die Farbe im Sinne von Henry Matisse große Bedeutung. Matisse setzte in seinen Bildern die Farbe flächig-dekorativ ein. Diese ornamentale Auffassung ließ die Regeln der Farbperspektive bewusst außer Acht, um den Ausdruck zu steigern. Unsere Raumempfindung sagt uns dagegen: Warme Farben drängen nach vorn, kalte Farben ziehen sich zurück. Matisse und gleichgesinnte Maler erregten nun vor gut 100 Jahren durch die Explosivkraft ihrer Malerei und die Freiheit in der Bildgestaltung öffentliches Ärgernis, so dass sie als „les fauves“, die wilden Tiere, bezeichnet wurden.
Die Raumhierarchie innerhalb des Bildes wird aufgelöst, das Auge sieht durch die flächig gemalten Dinge gleichzeitig den Vorder- und den Hintergrund. Nebeneinander- und übereinanderliegende Farbformen bauen verschiedene Bildebenen auf, die durch Strukturen, Lineaturen oder grafische Elemente überlagert werden.

U.K.‘s Malweise ist leicht und locker, dabei kraftvoll und präzise. Alles sitzt an der richtigen Stelle. In einigen Teilen des Bildes dominiert ein fester Pinselstrich, der sich abgrenzt in blattartigen Klecksen oder in weißen „Reflexen“. In anderen Bereichen ist die Geste des Wischens und Reibens zu erkennen. Er überlagert eine Farbe mit anderen, lässt diese mehr oder weniger durchscheinen, sodass sich Bereiche miteinander verweben. Das ergibt ein Spiel von opaken und lasierenden Farbaufträgen, von reinen Farben und gemischten Farbtönen. Dünnflüssige Farbe fließt als lineares Element in Parallelen über bunte Zonen. Oder aber kleine, helle Formen wie Lichtblitze oder wie ein Schwarm winziger Fische überziehen ganze Bildpartien, die zu schweben scheinen und bringen Bewegung und Rhythmus in das Geschehen.
Auffällig sind die vielen Spiegelungen, die eine zusätzliche Welt eröffnen. Die formale Auflösung des Bildes erfolgt manchmal durch die Umkehrung des Dargestellten. Wir könnten uns bei einigen Arbeiten fragen, wo oben und wo unten ist. Diese Spiegelungen verkomplizieren das Bildgeschehen, das zu einem Trugbild werden kann – ein irreführendes Flechtwerk aus Farbe. Als ein weiteres Motiv ziehen sich grafische Zeichen über die farbigen Elemente, was zu einer visuellen Desorientierung führt: Wir erkennen jetzt, dass diese gemeinte Welt gar nicht nur einfach, bunt und schön ist. Unbestimmtheit, Ambivalenz und Widersprüchlichkeit sind Richtungen, die wir erst allmählich wahrnehmen.

Peter Doig, ein Maler, den U.K. sehr schätzt, sagt über den Besucher von Kunstausstellungen:
„Menschen betrachten Gemälde ganz anders als fast alles andere. Es ist ein irgendwie seltsamer, versunken prüfender Blick.“
Ich glaube, in U.K.‘s Sinn wäre es, unseren prüfenden Blick auch in unser Handeln einfließen zu lassen.

 


 

Rede von Prof. Dr. Angelika Wolf anlässlich der Ausstellung „Wir und es …“ von Ulli Kowalke im Kunstraum Benther Berg (2015)

Das Motto der Ausstellung mit der Malerei von Ulli Kowalke deutet bereits auf sein Anliegen hin – eine Auseinandersetzung zu führen über aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen und Probleme, verknüpft und bestimmt durch soziale und individuelle Beziehungen und Verflechtungen, die wie seine Malerei auf verschiedenen Ebenen zu Tage treten. So ist einerseits die persönliche, individuelle Sichtweise erkennbar, auf der anderen Seite werden soziale, ökologische ebenso wie ökonomische Verhältnisse problematisiert.
Beispiel: Ägypten, ein Werk, das 2013, also schon vor einem Jahr entstanden ist, gewinnt in der heutigen Situation neue Aktualität, der wir uns stellen können und müssen, so dass sich neue Blickwinkel öffnen.
Im ersten Bild „Touristische Arroganz“ finden wir ähnlich gelagert, die Vielschichtigkeit der Ebenen wieder. Auch hier stoßen zwei Welten aufeinander, die scheinbar unverbunden sind. Hier tummeln sich unbeschwert Urlauberinnen, der arbeitende Fischer „verschwimmt“ und wird, wenn überhaupt erst viel später registriert. Und auch im Werk „Am Ende des Sommers“ bleibt offen, ob eine fröhliche Zeit sich dem Ende zuneigt oder ob es in eine dunklere „blicklose“ Zukunft weist.

Ulli Kowalkes Malweise zeichnet sich aus durch eine neben- und übereinander liegende Flächigkeit verschiedener Bildebenen und der Kontrastierung durch graphische Strukturen oder Elemente. Dabei fällt als erstes seine besondere und expressive Farbigkeit auf. Und erst bei genauerem Schauen bemerkt der Betrachter die tiefe Auseinandersetzung mit „harten, aufeinanderprallenden“ Wirklichkeiten der Welt, der Umgebung, des Seins.
Ulli Kowalke, der seit mehr als 20 Jahren malt und freie Malerei studiert hat, sucht seinen eigenen Weg, der aber natürlich nicht ohne Bezug in die Kunstgeschichte bleibt. Einer seiner Orientierungspunkte ist dabei der Fauvismus, der die Malerei um 1900 revolutionierte. Seine Art und Weise häufig angeblich nicht zueinander passende Farben direkt nebeneinander zu setzen und dies durch lebhafte und kräftige Farben, Linien und geometrische Muster zu überzeichnen, findet sich auch in der Malerei von Ulli Kowalke wieder. Farben und Flächen und die graphischen Durchbrechungen scheinen unabhängig vom eigentlichen Bildgegenstand ein Eigenleben zu führen. Verschiedene Bildebenen miteinander korrespondieren zu lassen, ist eines der Charakteristika der Werke, die Sie hier sehen. Er folgt dabei, wie er selbst sagt, mehreren Prinzipien. Auffallend sind die gewünschten Überlappungen und die fließenden Übergänge gegenständlicher und graphischer Bildinhalte, wobei die Figuren oder figürlichen Darstellungen und die weiteren Bildebenen möglichst gleichwertig nebeneinander stehen sollen. Ulli Kowalke nutzt Ornamente, Symbole die zu Linien und Farbflächen werden, malt fast „gesichtslose“ Figuren, die in seiner sogenannten „Flachraum-Malerei“ das Verallgemeinernde ausdrücken.

Und ein paar Worte noch zur Farbgebung
Die Farbtöne vermitteln eine bestimmte Vorstellung von Nähe und Entfernung; Blau zum Beispiel entfernt und Gelb rückt näher, so das Wissen um die Wirkung von Farben. Daneben stehen eher gemischte Farben. Beides bildet im Kontrast miteinander einen „autonomen Raumwert der Farben“, der entdeckt werden will, wie es Pierre Francastel nennt.
Diesem noch immer als unkonventionellen Umgang mit der Farbgebung bewerteten Vorgehen folgt Ulli Kowalke – also dem Prinzip der optischen Vermischung der Farben. Dieses gründet auf der Verwendung „reiner Töne“ und auf dem Gesetz des gleichzeitigen Kontrastes, das man vereinfacht als gegenseitige Beeinflussung der Farben ausdrücken könnte. Es entsteht „ein Rausch der Farbe“, wenn z. B. die Gesichtshälfte eines Menschen in unterschiedlichsten Farben ausgeführt ist. Mit „dem Rausch der Farben“ folgt U.K. seinen Vorbildern, den Fauvisten mit ihrem Hauptvertreter Henri Matisse.

Vielleicht noch ein paar Worte zum Gegenständlichen und nicht Gegenständlichen der Bilder
Die Malweise ist teils realistisch, teils nicht realistisch. Dies wird unterstrichen durch die Gleichstellung der Formen, der Gegenstände, der Figuren und dem Binnenraum. Diese im herkömmlichen Sinn nicht räumlich-perspektivisch geordneten Bilder sind zu einem engen Gefüge verzahnt, das für das Vordere und den Hinterraum eigene Bildräumlichkeiten zu schaffen vermag. Die historische Basis dieser „Verschränkungsmethode“ ist bei Max Beckmann zu suchen; so entstehen unterschiedliche Realitäts- und Bildebenen.

Das Synthetische der Bildsprache von Ulli Kowalke
Die Werke von Ulli Kowalke suchen nach neuen Synthesen, indem sie die verschiedenen Elemente einer Komposition auf eine Leinwand bannen; indem sie große, aber auch differenzierende Farbflächen auf die Leinwand bannen. Auf Formen und Nuancen wird zugunsten der Farbfläche und der Ebenenverschränkung verzichtet. Malt man auf diese Weise, ergibt sich aus den Farben, Linien und der fast geometrischen Konstruktion des Bildes jeweils eine neue Komposition, eine neue Synthese – und diese öffnet den Raum für das Hineintauchen, die Interpretation und das Entdecken der Bildinhalte.

Das Experimentelle und über die Malerei Hinausgehende
In der Ausstellung sind vorwiegend Acryllbilder zu sehen, aber Ulli Kowalke experimentiert gleichfalls mit Siebdruck und Glaskunst, mit kleinen Skulpturen, die ein noch genaueres Hinschauen und Auseinandersetzen fordern. Die Freude an auch technischen Veränderungen der Materialität, von Bildgrund und Farbplastizität macht die Auseinandersetzung um Inhalt, Ausdruck und der abschließenden Darstellung für ihn immer neu spannend.

Und wie weiter?
Die Überwindung von angeblich bestehenden, gesetzten Grenzen mit dem ureigensten Element der Malerei, mit den Mitteln der Farbe und dem Umgang mit dem Material, ob Leinwand, Papier, Stein oder Glas, ist eines der Ziele des Oeuvres, das so versucht Geist und Gefühl, realistische Wahrnehmung des „Wir’s“ und das „Es“ – als das Über-Ich, dem Sitz aller Erfahrungen, um mit Freud zu sprechen, dem an sich ungehemmten, nach unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung strebenden „Es“ zu verknüpfen.

Begegnen Sie dem Werk mit Neugier und lassen Sie sich überraschen von den Eindrücken und Assoziationen, die diese Bilder auslösen werden.